Mit Bus und Bahn durch den Thüringer Wald

Erinnerungen von Karl Soyk

Es herrscht noch Morgendämmerung, als sich in der Frühe des 20. Juni 2009 vierzehn Mitglieder des EBAC hoffnungsvoll an der Bus-Haltestelle des Bonn-Duisdorfer Bahnhofs einfinden, um eine 2-tägige Bus-Tour nach Thüringen anzutreten.

Unsere Geduld wird etwas auf die Probe gestellt. Statt wie verabredet um 5 Uhr erscheint der Bus erst eine halbe Stunde später. Unser Reiseleiter stellt sich als Peter Flunkert vor. Der wichtigste Mann, nämlich der Fahrer, ist Manfred, genannt „Manni“. Nachdem wir eingestiegen sind und alles verstaut haben, geht es auch gleich weiter nach Hürth, wo wir noch weitere Reiseteilnehmer aufnehmen. Eine weitere Anlaufstelle in Hagen komplettiert unsere mittlerweile 25-köpfige Reisegesellschaft.

Ab sofort nähern wir uns zielstrebig dem Höhepunkt des Tages, nämlich der Ortschaft Sonneberg in Thüringen. Unsere Fahrtroute führt uns zunächst über die A 44 Richtung Kassel. Die Stimmung an Bord – zumindest im hinteren Teil des Busses – übertrifft bei weitem die Wetterbedingungen. Ein Witz jagt den nächsten, ein Kalauer den anderen. Streckenweise ist aber auch festzustellen, dass das frühe Aufstehen bei dem einen oder anderen seinen Tribut fordert. Gegen 10 Uhr legen wir eine längere Rast ein. Hinter Kassel gehen wir auf Südost-Kurs, und zwar Richtung Thüringen. Hinweisschilder wie Eisenach, Gotha, Ilmenau zeigen uns, dass wir uns immer mehr unserem ersten Etappenziel nähern.

Gegen 14:30 Uhr erreichen wir Sonneberg, eine seit dem 18. Jahrhundert für ihre Spielzeugindustrie bekannte Stadt. Ihre Lage an der alten Handelsstraße Nürnberg – Leipzig war für die Entwicklung der aus einer mittelfränkischen Siedlung stammenden Spielzeugstadt von großer Bedeutung. Für uns steht natürlich heute im Rahmen einer „Tag der offenen Tür“-Veranstaltung die Besichtigung des Modelleisenbahn-Herstellers PIKO auf dem Plan, ein Unternehmen mit ca. 147 Mitarbeitern, dass neben Märklin, Fleischmann und Roco als vierter großer Anbieter gilt. Die Menschenmengen, die sich an diesem Tag schwer bepackt mit Paketen und Einkaufstüten über das Werksgelände (ca. 15.000 qm) bzw. die durch Werkshallen wälzen, sind beeindruckend. Es scheint so, als ob es hier etwas umsonst geben würde.

Zunächst haben wir ausreichend Gelegenheit, uns mit der Historie des Unternehmens sowie der Fertigung von Modelleisenbahn-Artikel (Kunststoff-/Farbspritzerei, Tampondruckerei) verschiedener Baureihen und Nenngrößen vertraut zu machen. Daneben stehen selbstverständlich auch mehrere Modellanlagen mit unterschiedlichen Themen im Mittelpunkt. Hier ist der Andrang naturgemäß auch sehr groß. Aber auch an den einzelnen Verkaufständen herrscht reger Parteiverkehr. Wer sich danach noch nicht satt gesehen hat, für den besteht die Möglichkeit, im Freigelände an mehreren Buden sich für kleines Geld noch mit Bratwurst bzw. Grillbraten und einem kühlen Bier zu stärken.

Gegen 17 Uhr finden wir uns alle wieder am Bus ein. Wir verlassen Sonneberg in nördlicher Richtung. Unser nächstes Ziel ist Cursdorf, dass wir nach ca. 1½ Std. Fahrt erreichen. Der ca. 700 Einwohner zählende Ort liegt im Naturpark Thüringer Wald zwischen dem historischen Rennsteig und dem Schwarzatal. Hier endet die bekannte Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn, die in ihrer Ausführung die steilste Standseilbahn der Welt ist, und die am nächsten Tag Teil unseres Programms sein wird.

„Im Kräutergarten“, ein sehr ansprechendes und gediegenes Hotel, werden wir für heute unser müdes Haupt betten. Um 19 Uhr, nachdem wir uns ein bisschen frisch machen konnten, treffen wir uns alle zum gemeinsamen Abendessen. Ein reichhaltiges kalt/warmes Buffet mit thüringischen Spezialitäten erwartet die hungrigen Modelleisenbahner. Im Anschluss daran bietet sich reichlich Gelegenheit, mit den anderen zu „fachsimpeln“ oder auch sonst Anekdötchen auszutauschen. Der harte Kern soll es, sehr zum Leidwesen der Wirtsleute, bis Mitternacht ausgehalten haben.

Am folgenden Tag, nachdem wir recht zeitig gefrühstückt und unser Gepäck im Bus verstaut haben, starten wir pünktlich um 8:40 Uhr von der Station Cursdorf auf der 2,5 Km langen elektrifizierten Flachstrecke, um danach bei der Bergstation Lichtenhain in die 1,4 Km lange Standseilbahn umzusteigen. Während der 18-minütigen Fahrt und bei 25% Gefälle haben wir Gelegenheit, trotz des trüben Wetters einen unglaublichen und reizvollen Panoramablick auf den Thüringer Wald zu genießen. An der Talstation angekommen steht bereits der Bus, der uns nach Tabarz bringt, ein zwischen Eisenach und Gotha gelegenen Kur- und Erholungsort am Fuße des 916m hohen Inselberges.

Hier erwartet uns eine von vielen touristischen Attraktionen, die der Landkreis Gotha zu bieten hat, nämlich eine Sonderfahrt mit dem „Historischen Zug“ der Thüringerwaldbahn, einer elektrisch betriebenen Überlandstraßenbahn. Dies ist nicht nur für uns Eisenbahner ein besonderes Erlebnis. Eine fachkundige Begleitung gibt uns während der ca. 22 Km langen Fahrt zahlreiche Informationen und Erläuterungen. Zwischendurch können wir immer wieder die landschaftliche Vielfalt insbesondere die Höhen des Thüringer Waldes bewundern. Nach knapp einer Stunde erreichen wir Gotha. Die Bahn fährt einen Bogen in westlicher Richtung um das Stadtzentrum. Vorbei am Hauptbahnhof, der Orangerie, dem auf einer Anhöhe gelegenen und weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Schloss Friedenstein, sowie einigen weiteren historischen Gebäuden vermag man das Flair der Residenzstadt zu erkennen. Schließlich endet die Fahrt auf dem Bahn-Betriebshof, wo uns zum guten Schluss, der Vorsitzende des Vereins Gothaer Straßenbahnfreunde dankenswerterweise noch einen kurzen interessanten Abriss über die Betriebsabläufe vermittelt.

Es ist bereits 14 Uhr, als wir unsere Heimreise antreten. Damit wir auch die lange Fahrt ohne Schwächeanfälle überstehen, machen wir im Gasthof „Thüringer Waldblick“ bei Boxberg noch einmal Rast. Geschafft, aber um viele schöne Eindrücke reicher kommen wir kurz vor 23 Uhr wieder an unserem Ausgangspunkt in Bonn-Duisdorf an. Ich denke, ich spreche im Namen aller Teilnehmer, wenn wir den Organisatoren, insbesondere unserem Vorsitzenden Heinz Steinhausen für diesen sehr preiswerten Ausflug ein herzliches Dankeschön zurufen. Ein besonderer Dank gebührt natürlich unserem Fahrer Manni, der uns in professioneller Weise gefahren hat.

artikel/archiv/thueringen_2009.txt · Zuletzt geändert: 2015/06/26 03:29 von b.comes